Ich komme pünktlich auf der neuen Station 0123 (Holland) an, auf der ausschließlich Transplantationen des Knochenmarks vorgenommen werden. Etwas nervös setze ich mich in den Aufenthaltsraum und warte auf die Schwester, welche das Aufnahmegespräch mit mir durchführen wird. Anschließend geht es in Richtung meines Zimmers, das ich nicht mehr verlassen darf und in dem ich mindestens fünf bis sieben Wochen bleiben muss. Das Zimmer hat die gleiche Nummer wie das oben auf der Onkologie, in dem ich vor 14 Wochen aufgenommen wurde. Das scheint mir ein gutes Omen zu sein und beruhigt mich.
Vor dem eigentlichen Zimmer befindet sich ein kleiner Raum mit einer Luftschleuse. Dort muss ich meine komplette Straßenkleidung ablegen und frische und zu Hause bereits desinfizierte Kleidung anziehen. Mein Koffer wird von außen auch noch einmal desinfiziert und anschließend darf ich mit ihm mein neues Zuhause betreten. Ich nenne das Zimmer „mein Raumschiff“, weil ich so alleine bin. Alle Zimmer auf der Station sind mit einer speziellen Luftfilteranlage ausgestattet, um die Raumluft möglichst vollständig von Krankheitserregern zu befreien. Aus diesem Grunde können (und dürfen) auch die Fenster nicht geöffnet werden.
Am späten Nachmittag bekomme ich meinen neuen ZVK (Zentraler Venenkatheter) gesetzt, weil die Chemotherapie am kommenden Tag sofort beginnt. Die Tage werden von minus acht Tag bis zum Tag null, an dem die Stammzellentransplantation stattfinden wird, hochgezählt.
Der Tag auf der Station beginnt für mich gewöhnlich gegen 7:00 Uhr morgens mit der Messung von Blutdruck, Temperatur, Puls und Gewicht, der Blutentnahme, der Verabreichung der Medikamente und der Bilanzierung meines Flüssigkeitshaushaltes. In dieser Zeit fahre ich tagsüber kürzere Strecken auf dem Fahrradergometer, aber sehr ruhig und bedächtig, um meine körperliche Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Am Tag minus vier ist die Chemotherapie beendet und mein Rückenmark ist komplett zerstört worden. Jetzt bin ich ohne Gegenwehr gegen Keime von außen und innen. An diesem Tag bekomme ich zum ersten Mal das Anti-Thymozyten-Globulin (ATG). Hierbei handelt es sich um ein Serum von menschlichen Lymphozyten immunisierten Kaninchen, was hilft, die Immunsysteme von Spender und Empfänger besser aufeinander abzustimmen, damit es nicht zu einer Transplantabstoßung kommt.
Während dieser Behandlung bekomme ich einen richtig starken Schüttelfrost. Das habe ich so noch nicht erlebt! Durch eine Spritze wird mein Körper wieder ins Gleichgewicht gebracht. Ansonsten gibt es bis zum Tag null keine besonderen Vorkommnisse.
Ich denke in dieser Zeit viel darüber nach, ob auch alles gut gehen wird. Meine Familie besucht mich öfter vor dem Fenster meines Zimmers und wir können uns durch die Fensterscheibe sehen und über das Telefon miteinander kommunizieren. Einen realen Besuch ersetzt dieses aber nicht. Der nähere Kontakt findet nur über die Pfleger und Pflegerinnen sowie die Ärzte und Ärztinnen und die Reinigungskräfte statt.
Endlich ist der Tag null da! Die Stammzellentransplantation erfolgt termingerecht: Gegen 11 Uhr bekomme ich den Beutel mit den neuen Stammzellen übertragen. Nach einer halben Stunde ist alles durchgelaufen. Was für ein aufregender Tag!
Ab jetzt heißt es abwarten, wie sich die Stammzellen entwickeln…
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