Zu meiner großen Überraschung komme ich zurück auf mein altes Zimmer und liege erneut mit meinem früheren Zimmerkollegen Thomas zusammen. Die Freude ist auf beiden Seiten natürlich groß, weil wir schon einen längeren Weg in dieser schweren Zeit gemeinsam gegangen sind und nun weiter beschreiten können.
Die Ergebnisse der Untersuchung meines Knochenmarks sind aus Ulm zurück und die Auswertung hat ein krebsfreies Knochenmark bestätigt. Mein Blut ist ebenfalls mikroskopisch krebsfrei. Das sind sehr gute Voraussetzungen für die geplante Konsolidierungsphase, die während meines zweiten Klinikaufenthaltes nun durchgeführt wird. Diese soll auf die notwendige Stammzellentransplantation vorbereiten.
Die Suche nach einem geeigneten Knochenmarkspender oder einer Spenderin findet parallel zu dieser Chemotherapie ab Mitte Dezember statt.
Innerhalb der nächsten fünf Tage bekomme ich nun an jedem zweiten Tag alle zwölf Stunden eine höher dosierte Chemotherapie verabreicht als in den Wochen zuvor. Glücklicherweise vertrage ich die stärkere Chemotherapie gut und kann meine sportlichen Aktivitäten weiterhin ohne Einschränkungen durchführen. Das Treppensteigen im Klinikgebäude funktioniert immer besser und ich gerate kaum noch in Atemnot. Meine tägliche Runde führt mich stets in den Andachtsraum der Uniklinik, in dem ich mich für einige Minuten besinne und dort die innere Ruhe finde, die mir die Kraft für meinen weiteren Weg gibt.
Nach dem Abschluss der fünftägigen Chemotherapie bekomme ich die darauffolgenden fünfzehn Tage erneut die Medikamente zur Unterdrückung des Markers verabreicht.
Kurz vor Weihnachten spricht die Klinik wegen der Corona Pandemie ein generelles Besucherverbot aus. Weihnachten ohne Besuch in der Klinik erscheint mir sehr hart. Ich bin über die Feiertage ganz allein auf meinem Zimmer, da mein Bettnachbar entlassen worden ist. Zum Glück besteht für mich die Möglichkeit, das Gebäude zu verlassen und mich mit meiner Frau oder/und meinen Töchtern auf dem Parkplatz der Uniklinik zu treffen. So erfahre ich ein bisschen Familienanschluss.
Am Heiligen Abend teilt mir der Stationsarzt mit, dass ein passender Spender gefunden wurde. Diese Nachricht entschädigt mich für alles und ist zugleich das schönste Weihnachtsgeschenk meines Lebens.
Der Physiotherapeut motiviert mich beständig, meine sportlichen Übungen abzuleisten, damit der Muskelabbau sich in Grenzen hält. So kommt der Ergometer in dieser Zeit wiederholt zum Einsatz. Ich nehme auch am Gitarrenunterricht teil und genieße diese Stunden. Als kurz vor Weihnachten noch ein Klangschalentherapeut eine Therapiestunde gibt, ist die Weihnachtszeit auch nicht mehr ganz so schwierig. Die Ärztinnen und Ärzte, Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger und alle anderen auf der Station beschäftigten Menschen sind sehr liebevoll und entgegenkommend und erfüllen uns Patienten, wenn es möglich ist, jeden Wunsch. Zwischen den Jahren bekomme ich einen neuen Zimmerkollegen, den Martin. Wir kommen von Anfang an gut mit einander aus.
Am vierundzwanzigsten Tag des Klinikaufenthaltes erfolgt eine weitere Knochenmarkpunktion, um zu überprüfen, ob die konsolidierende Chemotherapie erfolgreich war, was sich glücklicherweise bestätigt.
Da mit meinen Blutwerten zum jetzigen Zeitpunkt also alles in Ordnung ist, kann die Stammzellentransplantation in einigen Wochen durchgeführt werden. Der Starttermin dafür ist der 18. Januar. Zuvor darf ich noch für zehn Tage zur Erholung und Stärkung nach Hause. Hierfür erhalte ich noch genaue Anweisungen zu den Themen Ernährung, Kontakte zu anderen Menschen und den generellen Schutz vor Keimen aller Art, die für mein schwaches Immunsystem sehr gefährlich sein können.
Am Tag meiner Entlassung beschließen Thomas, Martin und ich, dass wir in Verbindung bleiben wollen und legen gleich einen festen wöchentlichen Telefontermin fest.
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